Michael Schneider bedauert diesen schnellen Fortgang ausserordentlich. Yordan Kamdzhalov verirrte sich im Februar 2013 in ein Konzert mit Michael Schneider. Der spielte Bach auf dem Cello, mal richtig aber dann auch wieder sehr fremd. Für Klassiker: befremdlich, denn die trauen sich nicht, die Bachsuiten sozusagen hemmungslos zu spielen. Nach dem Konzert, das gemeinsam mit arkestra convolt der Cellomusik Johann Sebastian Bachs gewidmet war, erhielt der Cellist eine Mail von Yordan Kamdzhalov:
Mario Venzago ist auch nur zwei Jahre geblieben. Dann zog es ihn in die große weite Welt. Einen kleinen Hauch von seinem Weltruhm konnten wir Heidelberger wenigstens noch erhaschen, indem wir Ihn als unseren Ehrendirigenten teilweise zurückgewinnen konnten.
Ob uns das bei Yordan auch gelingen wird? Als unser Ehrendirigent könnten wir teilhaben an seinem Ruhm ?
Ein kleiner Gedankensprung und ich bin bei meiner Mutter gelandet. Sie war auch Koch Lehrerin. Sie war verheiratet mit meinem Vater. Mein Vater mochte Bratkartoffeln. Um es kurz zu machen: also sehr deutsches Essen.
Als Koch Lehrerin war sie sehr interessiert an internationaler Küche. Also jetzt nicht internationale Bratkartoffeln, seien es jetzt Pommes oder was auch immer. Ich, sein Sohn war da ganz anders gestrickt. Ich war neugierig auf alles was mir von meiner Mutter kulinarisch aus aller Welt geboten wurde.
Könnte es sein, dass ich dort die Wurzeln meiner inneren Freiheit erfahren habe?
Dabei war mein Vater in der Musik keineswegs ein Bratkartoffelngenießer.
So habe ich von meinen Eltern die Lust auf Freiheit und Großzügigkeit erlernt.
Als ich mit 14 Jahren meinem Vater mitteilte, dass wir einen Kontrabass in unserer Band benötigen, da lud er mich ein es selbst zu erlernen, dann würde ich immer gebraucht.
Es hat mir sehr geholfen, wenn auch nicht zu Internationalem Ruhm.
Um so mehr freue ich mich jetzt für Yordan Kamdzhalov.
Steht jetzt zu befürchten, dass sich viele Musiker aus dem Philharmonischen Orchester umbringen?
Weil sie in einem Philharmonischen Orchester ohne Yordan Kamdzhalov nicht leben möchten ? Müssen die jetzt verzweifelt versuchen, lebend das nächste Konzert trotz anderer Dirigenten zu erreichen?
Der Winter könnte wieder lang und kalt werden, aber zwei Opern Produktionen und mindestens drei Sinfoniekonzerte dürfen wir noch mit diesem Jahrhundertdirigenten erleben. Wenig ist nicht viel und nicht alles. Aber fünfmal darf ich als Heidelberger Philharmoniker noch im Sonnenstrahl einer Jahrhundert Sonne mich erstrahlen lassen. Und das auch im anstehenden Winter.
So schließe ich meine Bemerkungen mit einem Zitat von Michael Ende:
Zu irgendetwas dient jeder in dieser Welt, auch wenn man ihn oft für entbehrlich hält.
Nota Bene:
Die Idee mit dem Selbstmordgedanken hat mir Joachim Lottmann gegeben.
In seinem Roman “ Zombie Nation “ schreibt er:
„Nach 1945 sind in Deutschland noch viele Menschen gestorben, weil sie sich nicht vorstellen konnten in einem Deutschland ohne Nazis zu leben.“