Arabisch – orientalische Musik im Spiegel der Zeit.
Eine Zeitreise durch Spanien, die Türkei sowie Argentinien – mit Kompositionen aus fünf Jahrhunderten.
Konzert-Lesung mit der französischen Schriftstellerin Cécile Oumhani sowie Regina Keil-Sagawe, Übersetzerin maghrebinischer Literatur. Der Roman ist erschienen im Osburg Verlag.
Der Kontrapunkt der Kulturen:
Die meisten Menschen sind sich in erster Linie einer Kultur, einer Umgebung, einer Heimat bewusst. Menschen im Exil leben mit mindestens zwei Kulturen. Diese Pluralität der Sicht weckt ein Bewusstsein für die Gleichzeitigkeit verschiedener Dimensionen, ein Bewusstsein, das, um einen Ausdruck der Musik zu entlehnen: kontrapunktisch ist.
In Osvaldo Golijov’s Ayre – ein Wort aus dem spanischen des Mittelalters, das Melodie bedeutet, geht es um die Vermischung dreier Kulturen: Christen, Araber, Juden, im südlichen Spanien des späten 15. Jahrhunderts, vor der Vertreibung der Juden. Der Wechsel von friedlicher Koexistenz mit offenem Konflikt zwischen diesen drei Kulturen wirkt bis in unsere Zeit nach. Mit einer kleinen Wendung wechselt eine Melodie vom jüdischen zum arabischen und weiter ins christliche Idiom. Wie eng verknüpft sind diese Kulturen, wie furchtbar ist es, wenn sie sich nicht verstehen. Die Trauer, mit der wir heute leben, existiert bereits seit Jahrhunderten und doch war zwischen diesen Kulturen Harmonie möglich.
Golijov greift auf eine breit gefächerte persönliche Auswahl von Quellen zurück.
Die Musik gründet sowohl auf Fundsachen: einem sephardischen Liebeslied oder einem christlich-arabischen Osterhymnus – wie auf original komponierten Melodien.
Die Texte in Arabisch, Hebräisch, Sardisch und Spanisch so wie in ladinischer Sprache geschrieben, der einstigen Sprache der spanischen Juden, der Sephardim.
Eine Vielfalt menschlichen Erlebens tut sich auf, von Liebe und Eifersucht bis hin zu blinder Wut, frommer Sehnsucht und Gebeten.
Ethnische Musik wird seit ungefähr drei Jahrzehnten als Weltmusik gedeutet, im heutigen Sprachgebrauch könnten wir es die Globalisierung der Musik nennen. Spezielles lokales Musikkolorit wird so durch Vermischung eigener – ursprünglich räumlich begrenzter Verbreitung der Musik – zu einem weltweit sich vermischenden Konglomerat vielfältiger Zutaten der „ Weltmusik „ zugeordnet.
Bemerkenswert sind für mich in der „ klassischen Musik „ weltmusikalische Assoziationen der Komponisten. So komponierte Enrique Granados ein Stück mit dem Titel „ Oriental „ – dieses hat aber durchweg rein spanischen Charakter. „ Rein Spanisch „ kann aber nur bedeuten: spanische Musik als Ergebnis der Vermischung jüdisch – christlich – arabischer Musik – Kultur, die alle ihre Spuren in diesem Land hinterlassen haben.
Osvaldo Golijov hat jüdisch-polnische Vorfahren, ist Argentinier, hat Musik in Jerusalem studiert. Seine Herkunft wie auch seine Ausbildung ist multi-ethnisch geprägt. Diesem Weg entspricht seine faszinierend schillernde Melodiegebung in seinen Kompositionen.
Gizem Alever, eine junge türkische Komponistin, schrieb „L‘Amen „ ein Trio für türkische Geige, Tanbur und Violoncello. Die Einbeziehung des klassischen, herkömmlichen Cello Klanges mit rein ethnischen Tönen urtürkischer Volksinstrumente verbindet das Ur-Alte mit dem Europäisch-Modernen. Dieses Trio von Gizem Alever verbindet ebenfalls kompositorisch Altes mit Neuem. Ihre melodischen Wendungen vermitteln eindeutig türkische Melodik, verpackt im Gewand der sog. Neuen Musik. Anders herum ausgedrückt: die Neue Musik von Gizem Alever überreicht dem Zuhörer ihre türkische Visitenkarte.
Schon Mozart hatte für dieses Gedankenspiel die passenden Worte: “ Alla Turca „.
Es wirken mit:
Cécile Oumhani – Schriftstellerin, Regina Keil-Sagawe – Übersetzerin, Salome Schneider – Violoncello, Claus Rosenfelder – Klarinette, Michael Schneider – Gitarre, Walter Pfundstein – Kontrabass