Francois Rabbath und Franz Simandl – ein Tonleiter Spaziergang durch zwei verschiedene Spielansätze.

Die größte Gemeinsamkeit ist meines Wissens der Vorname. Unser französischer Virtuose heißt demnach also „Franz “ Rabbath.
Denke ich an meine erste Zeit mit den zehn Bänden von Franz Simandl und seiner Kontrabass Schule, dann erinnere ich mich daran, dass es zum Beispiel 2-3 Möglichkeiten gibt eine Tonleiter auf einer oder zwei Saiten zu spielen. Auch wenn die Simandl Schule dem Lernenden zunächst alle Töne über alle vier Saiten Stufe um Stufe vermittelt, wird am Ende dieses Wissen nicht mehr benutzt. In der Praxis geht es dann immer sehr zügig auf die oberste Saite. Mein Studienkollege Jörg Linowitzky, der schon lange Kontrabass Professor in Lübeck ist, er ist ein eifriger Verfechter des Spielens auf einer Saite. Wegen des gleichmäßigen, ausgewogenen Klanges.
Entsprechend mündet die Ausbildung heute immer noch beim Kontrabass Spiel möglichst auf einer Saite. So wird ein so genanntes Mono Saiten Denken produziert.
Nennen wir es: freiwillige Selbstbeschränkung.

Im dritten Band seiner “ Nouvelle de la Contrebasse “ stellt François Rabbath alle Tonleitern über drei Oktaven vor und die Möglichkeiten die Fingersätze und die Wege über alle vier Saiten bis in die höchsten Lagen zu gestalten.
Er selbst möchte damit keineswegs jemanden animieren, alle diese Varianten zu üben.
Er schlägt dem Lernenden vor, sich drei davon auszusuchen und die gut zu beherrschen.
Schon bei Ansicht der vielen Varianten, in Dur sind es zwischen 150 und 180, bei den B – Tonarten reduziert sich das wegen der fehlenden leeren Saiten auf ungefähr die Hälfte, 60-80, schon beim Betrachten der vielen aufgezeigten Möglichkeiten bekomme ich ein Gefühl von Reichtum. Es gibt also so viel Auswahl, so reichliche Auswahl, dass ich sie gar nicht vollständig wahrnehmen kann.
Wenn ich dann noch die Daumenlage-Kapodaster-Technik mit einbeziehe, dann verdoppeln sich die Möglichkeiten in Kreuz- und B-Tonarten noch einmal.
In der Daumenlage spiele ich die Greifmuster von A-Dur, Bb-Dur und C- bzw..G-Dur, je nachdem ich über drei oder vier Saiten spiele. Mit Daumenlage ist hier keineswegs die Oktavlage nach Franz Simandl gemeint, sondern Daumenlage bezieht sich darauf, dass ich den Daumen dort hinlege, wo ich einen beliebigen Ton als Grundton brauche.
Die drei Varianten noch einmal in Moll und ich habe ohne mich zu bewegen 14-16 Töne in einer Hand.

Eine Reichhaltigkeitsexpedition empfehle ich jedem Neugierigen.

Zunächst : Verzweiflung. Die Sinnlosigkeit steht vor der Tür. Dann : Verstehen, aber noch nicht: Können. Dann beginnt eine neue musikalische Lebensfreude: “ Tu auras l’habitude d’un virtuoso „.
Wie hört sich das nun bei Michael Schneider an ?
Auf unserer Webseite von “ Lyrik Kontra Bass “ gibt es es zwei passende Beispiele dazu: ein Larghetto von Antonio Vivaldi und “ Reitba “ von Francois Rabbath.
Für den Reitba-Clip erhielt ich gestern den folgenden Kommentar zu meiner Interpretation: „……. oh, ich höre gerade nebenher den Francois Rabbath…. mann, ist DAS schön gespielt – so schön habe ich einen Kontrabass noch nie gehört!…“
So der Kommentar einer Pianistin/Dirigentin.
Mich erstaunt, dass im Philharmonischen Orchester Heidelberg diese Klangvorstellung bei meinen Kollegen überhaupt nicht beliebt ist. So hat ein Kollege sogar ein Aufbaustudium bei Professor Jörg Linowitzky begonnen, als er seinen Dienst in Heidelberg begann, während ich zu der Zeit besonders im Orchester 70 Prozent aller Passagen in meine “ Daumen-Kapodaster-Lagen “ verlegte.
Durch diese Spielweise muss ich wegen eines Halbtons nur einen Finger höher oder tiefer setzen, bleibe aber mit dem Daumen wo ich bin. Mit dem Denken nach Simandl/ Jörg Linowitzky muss ich jedoch ständig einen Lagenwechsel machen, muss eigentlich ein Virtuose sein.
Mein Lieblingsbeispiel dafür ist die h-Moll Suite von Johann Sebastian Bach. Da hier wegen der Moll-Tonalität ein ständiger Wechsel stattfindet, besonders zwischen g/gis und a/ais, muss der Simandl-Liebhaber ständig ( und sehr schnell ) die Lagen wechseln und dann noch vom gis auf der G-Saite schnell in die erste Lage für das fis auf der D–Saite und ruckzuck wieder in die gewöhnliche Lage zum gis. Und das hört überhaupt nicht auf.
Und viele Flötisten haben schnelle Finger. Ich habe schon Cellisten neben schwitzen “ gehört „, während ich mich bei den längeren Fugato-Passagen überhaupt nicht bewegt habe, sozusagen nur mit einem Finger geschnipst habe, einen kleinen oder einen grossen Tanzschritt vollführte.

Von der Einsamkeit der Neugierigen

Galileo Galilei und mit ihm viele andere Wissensdurstige haben sich bestimmt über die Folgen ihrer Neugier gewundert : Androhung von Folter und Tod war einmal die Antwort auf Neugier mit Erkenntnis. Folter geht heutzutage nur noch indirekt in Form von Mobbing. Was sagt der Zwerg Gwimlin im Herrn der Ringe in der ausweglosesten Situation: Wenig Aussicht auf Erfolg, den Tod als Gewissheit, worauf warten wir noch. Zumindest das Gefühl vieler Solopositionen in Orchestern vermittelt das folgende Gefühl: dann zieh dich warm an. Du bist einsam und auf verlorenem Posten, wenn du dem nicht widerstehst, denn du sitzt auf dem Posten, den eigentlich alle anderen haben sollten. Tun sie aber nicht, aber sie verhalten sich so. Das ist der Alltag.  Aber wenn du noch einen drauf setzt und den Kollegen erzählst, dass die Welt keine Scheibe, sondern eine Kugel ist, dann sei mental darauf vorbereitet, dass deine Situation nur wenige Jahrhunderte von der Situation Galileos entfernt ist.

Die positive Sicht davon: ich gehe nicht auf einen hohen Berg um dort Menschenmassen zu begegnen. Diese Einsamkeit geniesse ich, deswegen bin ich hier .Ausserdem liegt es in der Natur der Sache, dass besondere Leistungen nicht von allen erbracht werden  können.

1991 begann ich mit meinem Studium bei Francois Rabbath in Paris. Ein neuer Bogen, eine neue Technik, ich war wieder am Anfang. In Heidelberg als Solokontrabassist hatte ich regelmässig Kontrabasskonzerte aufgeführt und war im Jahr 1990 zum ersten mal mit mir selbst zufrieden. Aber dann mache ich mich aus Neugier wieder zum Anfänger. In Heidelberg wurde alles angezweifelt was ich aus Paris mitbrachte, ganz abgesehen von der grundsätzlichen Ablehnung. In dieser Zeit habe ich gespürt, dass es sehr viel leichter sein kann in der Masse mit zu schwimmen. Geholfen hat mir mein erster Lehrer und ein japanischer Haiku.

Der Lehrer: wenn du jetzt anfängst, dann frage nicht nach dem Ende. Mache einfach deine Hausaufgaben für die nächste Stunde, dann bist du plötzlich angekommen und hast es nicht gemerkt.( Das passt doch gut, es lässt sich auch so ausdrücken: Der Weg ist das Ziel ).

Der Haiku: “ Was, du willst auf den Fujijama kleine Schnecke ? Aber langsam, aber langsam“ Wenn ich vor dem Berg stehe und hinauf soll, dann werde ich sagen: das kann ich nicht. Gehe ich aber einfach los ohne auf den Gipfel zu starren, dann werde ich plötzlich oben sein und habe es nicht gemerkt.

 

 

 

Haang Jeung und die Genssler Saiten – eine neue Erfahrung für Michael Schneider

Haang Jeung will Bass lernen. Sie hat nicht die grössten Hände, aber einen eisernen Willen. Und ich habe die Ideen dazu; wir beginnen in der Daumenlage, da braucht sie den vierten Finger nicht. Aber die Saiten sind hart und die Saitenlage noch nicht optimal. Der Rabbath Knickstachel ist schon eingebaut, der Bass also federleicht in der Schräghaltung. Ihre Hände sind in zwei Monaten schon kräftiger, der Ton voller und der Sustain ok. Aber ihr Lehrer ist Fan von Gerold Genssler’s Saiten. In der heutigen Stunde war es so weit: Erster Versuch mit den neuen Saiten. Erste Erkenntnis: der Bass ist viel lauter. Zweitens: sie hört die Töne klarer, sauber spielen fällt leichter. Der Lehrer sorgt sich um die noch zu hohe Saitenlage. ( Ich trage locker eine Hälfte eines Klavieres, aber bei der Saitenlage bin ich inzwischen eine Mimose ). Schlägt aber vor, mit einer Veränderung noch zu warten bis sich alles zurecht gezurrt hat. Schülerin: nein, bitte nicht tiefer legen, sonst weiss ich ja nicht ob ich drücke.

Nun gut, der Rest „Widerstand“ sei ihr gegönnt, wir sind dank Gerold schon kurz vor der Vollendung der Utopie, der unerträglichen Leichtigkeit des Bass Spielens.

Die neue Bedeutung von „Querklang“ für die Rabbath Technik, das Cello und den Bass

Querklang bekommt eine ganz neue Bedeutung, wenn ich es für das Spielen quer über die Saiten deute. 

Die Verfechter des Spielens auf einer Saite konnten mich mit dem Argument, dass es so einen einheitlichen Melodie-Klang gibt noch nicht überzeugen.  Ich habe schon viele Tests mit eindeutigem Ausgang hinter mir, bei denen die Zuhörer sich in einem anderen Raum befanden und nicht wussten, welche Wege ich auf dem Cello oder dem Bass gehe.

Eines der “ eklatantesten “ Beispiele ist für mich der Schwan von Saint Saens. Es gehört schon sehr viel Meisterschaft dazu, auf der A Saite rauf und runter zu rutschen ohne ein romantisches “ Schmierando “ zu hinterlassen, zu vollführen. So bin ich überhaupt zum Cellospiel gekommen: Ich gab meiner Tochter Cellounterricht und ein Freund fragte mich, ob ich ein Quartett-Konzert am Cello mitspielen wolle. Ein Konzert im Königssaal des Heidelberger Schlosses und mit dabei der “ Schwan “ und ich am Solocello mit Streichtrio Begleitung. Nun gibt ja jeder der etwas auf sich hält eine Pralinen-CD mit den erlesensten Döntjes heraus. Kann ich öffentlich in Konkurrenz mit ihnen treten? Fragte ich mich und fand die Lösung ( ich konnte ja gerade mal das Cello halten ). Nur die gute Bogentechnik hatte ich bereits bei Rabbath gelernt. Ich spielte ( und spiele ) den Schwan einfach in der 4. Lage ( nach meiner neuen Lageneinteilung für das Cello-bisher also einfach : die Daumenlage ) alles quer über die Saiten und nicht nur ich behaupte dass es sogar besser klingt. Kein Schmierando, viel Zeit, keine grossen Lagenwechsel und eben sehr viel Zeit für Musik.

Und dieses Quer – klingt. Also geben wir dem Wort die neue Bedeutung  Querklang.  Und wer sich davon persönlich überzeugen möchte, der kommt einfach in die monatlich stattfindenden  “ Querklang am Berghang “ Konzerte von arkestra convolt in denen ich auf dem Cello und dem Kontrabass jede Menge Querklänge erzeuge.

Cello und Kontrabass als ganzheitliches Spiel im Flow

Handelt es sich dabei etwa um esoterischen oder spirituellen Unterricht ?  Zen in der Kunst des Bogenschiessens von Alfred Herriegel gehört für philosophisch Interessierte durchaus dazu, ist aber kein Muss.

Der herkömmliche Unterricht beginnt ganz unten. Das Ziel ist das andere Ende, die schwindelnden Höhen am Ende des Griffbretts. Wie kommt man aber dort hinauf ? Klettern. Wie in den Bergen, Step by Step, dann ist man irgendwann oben. Hier gibt es nichts Ganzheitliches. Weder auf dem Berg noch beim herkömmlichen Unterricht.  Francois Rabbath ging andere Wege, weil ihm niemand vorgeschrieben hat, wie es zu machen sei.  Wenn ich in der gewöhnlichen Lage etwas spielen kann, ( beim Cello wie beim Bass ), dann kann ich es auch mit kleiner Änderung der Fingersätze in der Oktave spielen. Der Daumen wird zum Obersattel und bekommt die quasi leeeren Saiten geschenkt. D.h. der Daumen muss nicht drücken, weil die Flageoletts hier in der originalen Tonhöhe klingen wie gedrückte Töne. Und schon geht es weiter: Hat der Daumen ein wenig Hornhaut entwickelt lässt sich das Ganze leicht in eine andere Lage oder auf andere Zwischen-Töne verschieben. So kann ein Anfänger schon ab der zweiten Stunde in der Oktave spielen.

IMG_0301

Michael Schneider

In der gewöhnlichen Lage ist das A auf der G-Saite fast der höchste Ton. Gehe ich nun eine Oktave höher, dann habe ich das gleiche A auf der dritten Saite als leere A-Saite und als tiefsten Ton. Also kann ich in der ersten Lage  bis zum leeren G spielen, springe mit dem Daumen auf die A-Saite in die Oktave und spiele leicht weiter in der zweiten Oktave. Es dauert nicht lange, dann kann der Schüler so die auch auf dem Bass bekannte Kreutzer Etude spielen. Das bewältigt gerade spielerisch eine Schülerin nach zwei Monaten. Dabei spielen die Tonarten mit der Zeit keine Rolle mehr, da das Denken mehr auf die Tonschritte fokussiert ist.. Wenn ich 13 Töne in einer Hand habe ( über vier Saiten ), dann geht es nicht mehr um unvermeidliche Lagenwechsel, sondern nur noch um Tonabstände. Beim Notenlesen sehe ich nur noch Tonschritte und -Abstände und setze die Finger entsprechend ohne meine Daumenposition verlassen zu müssen.