Michael Schneider, der Musik- und Redeprofi in der Realschule Waibstadt zitiert Hans Dieter Hüsch am 18.1.2016

Im Rahmen der Veranstaltung : Profis zu Besuch liess Michael Schneider es sich nicht nehmen, neben der Musik der Cellosuiten von Johann Seabstian Bach,ein Ricercar von Giovanni Battista Degli Antonii sowie Musik für Cello Solo von Hanning Schröder, auch eine weitere Lieblingsbeschäftigung zu präsentieren: Die passende Lyrik und Texte zu seinen jeweiligen Themen hat er immer dabei.
Hier gebe ich einen Lied Text von Hans Dieter Hüsch wieder, der mich schon seit vielen Jahren begleitet.

Das Lied vom runden Tisch

Den möcht‘ ich seh’n
Der mir untersagt
Mich mit einem Liberalen
An einen runden Tisch zu setzen!
Den möcht‘ ich seh’n –
Wie er festen Schritt’s auf mich zukommt
Die Hände in den Taschen
Und dann von oben runter fließend zu mir sagt:
„Mit wem sitzt denn du da?
Feines Gesocks, was?
Na ja, du warst ja schon immer was Besseres!
Das Bier würd‘ mir nicht schmecken!
So täuscht man sich halt –
Wechselst mal wieder das Hemd
Wie mir scheint!“

Darauf gibt’s nur eine Antwort:
„Quatschkopf! –
Dieser Liberale hier
Ist mein Freund!“

Den möcht‘ ich sehen
Der mir untersagt
Mich mit einem Christen
An einen runden Tisch zu setzen!
Den möcht‘ ich sehen –
Wie er feinnervig mich beäugt
Sich bei mir einhakt, ein paar Schritte mich entführt
Und dann in seiner hochgestochnen Suppe rührt:
„Du mit dem?
Das halt‘ ich für absurd!
Dessen Bier schmeckt doch nach Weihwasser –
Und nichts ist bewiesen!
Die Kirche ist doch ein alter Hut –
Was für alte Leute, wo man betet und greint!“

Darauf gibt’s nur eine Antwort:
„Deine Ansicht! –
Aber dieser Christ hier
Ist mein Freund!“

Gott, wieviel Jahre wünsch‘ ich mir schon
Einen alten großen runden Tisch
An dem die verschiedensten Menschen sitzen
Und einer davon wär‘ der Hüsch!

Den möcht‘ ich sehen
Der mir untersagt
Mich mit einem Erzdemokraten
An einen runden Tisch zu setzen!
Den möcht‘ ich sehen –
Wie er zunächst überlegt
Dann aber doch mich anspricht
Zunächst um den heißen Brei geht
Dann aber doch zu verstehn gibt –
Ungeheuer enttäuscht zu verstehn gibt:
„Na ja, Sie hatten ja schon immer ’ne Vorliebe für gewisse Extreme!
Wir dachten uns nur
Wo Sie jetzt älter geworden, hätte sich das gelegt!
Erstaunlich, erstaunlich –
Gerade von Ihnen hätten wir das gemeint!

Darauf gibt’s nur eine Antwort:
„Sie mögen Recht haben! –
Aber dieser Erzdemokrat hier
Ist mein Freund!“

Den möcht‘ ich sehen
Der mir untersagt
Mich mit einem Kommunisten
An einen runden Tisch zu setzen!
Den möcht‘ ich sehen –
Wie er auf mich zufedert
Mir die rechte Hand auf die linke Schulter legt
Sich dann langsam herabbeugt und zu mir sagt:
„Muss das sein?
Ich meine, Sie können doch auch Ihr Bier woanders trinken –
Haben Sie doch gar nicht nötig!
Und außerdem wird sich das sicher rumsprechen!
Nicht dass ich stören wollte –
Ich hab’s nur gut gemeint!“

Darauf gibt’s nur eine Antwort:
Vielen herzlichen Dank! –
Aber dieser Kommunist hier
Ist mein Freund!“

Gott, wieviel Jahre träume ich schon
Den gleichen Traum vom gleichen Stoff
Von Bruder und Schwester, Vater und Sohn
Und einer davon heißt Schretzmeier
Und ein anderer Oberhoff
Und alle reden und trinken, essen und denken
Nach Herzenslust und Gelüsten –
Mit Ausnahme der Faschisten!

Den möcht‘ ich sehen
Der mir untersagt
Dieses Lied öffentlich vorzutragen –
Den möcht‘ ich sehen!

Deshalb sing‘ ich dieses Lied
Und wollte das hier mal sagen!

Profis zu Besuch in der Real Schule Waibstadt. Anna Kaess und Michael Schneider mit Musik und Rezitation zum Thema : Menschenrechte am 18.1.2016

IMG_6674

Montag 18. Januar 2016. Das Jahr fängt gut an: eine weitere Million Flüchtlinge werden im laufenden Jahr auf Asyl in Deutschland warten.
Für viele Politiker ein Grund, die Grenzen dicht zu machen.
Aus der Sicht der beiden Gäste – Michael Schneider, Musiker und seiner Tochter Anna Kaess, Schauspielerin – ist dies der Beginn von Menschenrechtsverletzungen, die der Resolution der Vereinten Nationen vom Dezember 1948 klar entgegenstehen.
Die beiden Profis haben beschlossen in der Realschule Waibstadt in den Klassen neun und zehn sowie einer sechsten Klasse den Mund aufzumachen und mit den Schülern über die Menschenrechte zu sprechen.
Die beiden freuen sich sehr, dass nicht nur die einladende Lehrerin, Sibylle Bachmaier dieser Problematik offen gegenüber steht, sondern auch besonders der Schulleiter Herr Sauer dies in besonderer Weise fördert.
Zitat von Juli Zeh:
“ Mit den Menschenrechten ist es wie mit den zehn Geboten: drei Gebote, drei Artikel der Uni Erklärung bekommen wir vielleicht noch zusammen. Verbot der Sklaverei. Verbot von Folter. Recht auf Arbeit. Aber dann, seien wir mal ehrlich, wird es dünn. «.
In der Klasse zehn mussten wir Juli Zeh eindeutig korrigieren: aus dem Stand brachte die Klasse gemeinsam 15 Artikel von insgesamt 30 der UNO Erklärung ohne Hilfe der Gäste zusammen.
Dazu gehörte auch das Stichwort: Diskriminierung.
Um dies der neunten Klasse klar vor Augen zu führen griff sich Michael Schneider eine Schülerin heraus und behauptete, dass der Schüler Gemeinschaft ihre Haare nicht gefallen und wir sie deswegen nicht mögen. Sehr betroffenes Gesicht der Schülerin. Sofort nahm Michael Schneider die Schülerin bei der Hand, entschuldigte sich und fragte sie: wie hast du dich bei dieser Behauptung gefühlt?
Die Antwort erübrigt sich hier. Jeder weiß wie sich Diskriminierung, wie sich Mobbing oder Ablehnung anfühlt. Aber diese Schülerin bleibt im Klassenverband, diese Schülerin hat die Entschuldigung von Michael Schneider gehört, sie darf auch in Waibstadt und bei ihren Eltern bleiben.
So spontan diese Vorführung war, so betroffen machte sie doch die ganze Klasse.
Wie fühlt man sich, wenn das eigene Haus, wenn die Heimat zerstört ist?
Und wie fühlt man sich erst, wenn man dann in ein anderes Land kommt und dort noch weitere Ablehnung erfahren muss?
Der Heidelberger Philosoph Hans Georg Gadamer hat zu dieser Problematik eine gute Kant’sche Formulierung gefunden: „Toleranz ist die Fähigkeit aus der Sicht des anderen zu denken.“
Anna Kaess, quasi gerade eben erst der Schule “ entronnen “ schon Mutter eines zweijährigen Sohnes, angehende Schauspielerin, sie konnte mit ihren 23 Jahren den Klassen anspruchsvolle Texte von Juli Zeh, sowie die Erklärung der Menschenrechte quasi als gleichaltrige überzeugend darlegen. Restlos für sie eingenommen haben aber noch ihre Lieder, die sie zu diesem Thema, sich selbst auf der Gitarre begleitend gesungen hat.

IMG_6675