Die Ricercari von Pietro Degli Antonii – Dokumente einer ersten Suche auf dem Violoncello. Selbstdarstellung und Selbstbewusstsein der Komponisten im Spiegel der Jahrhunderte.

Am 13.Juli 2018 um 20 Uhr beginnt in der Bergkirche Schlierbach in Heidelberg eine Zeitreise auf dem Violoncello. Fünf Jahrhunderte im Spiegel der Solowerke für dieses Instrument.
Michael Schneider kann in einem Konzert nur im Zeitraffer durch die Musikliteratur schreiten.
Bei der Auswahl sind ihm besonders das “ Suchende “ sowie das “ Wissende “ der Werke aufgefallen.
Hier die Stücke im Ablauf:

Pietro Degli Antonii: Riceercar.
Johann Sebastian Bach: Cello Suite G-Dur -Allemande – Sarabande – Courante.
Hanning Schröder: Aus der Musik für Violoncello Solo – Schnell – Langsam.
Osvaldo Golijov: Aini Taqtiru – Christlich-arabischer Ostergesang.
Aaron Minsky: Vier Etüden. Aus der Sammlung: 10 Amerikanische Etüden.

Das Ricercar von Pietro Degli Antonii ist eines der ersten Werke für das Cello als Soloinstrument. Zögernd und immer wieder Anlauf nehmend variiert das erste Thema, versucht sich auf verschiedenen Stufen, im Mittelteil dann auch als triolischer Rhythmus. Ricercare bedeutet auch suchen, versuchen. Das Stück erweist seinem Titel somit alle Ehre.
Der in den Nachwehen der Zwölftonmusik verhangene Hanning Schröder ist für mich auch wieder an dem Punkt der suchenden Neuorientierung angekommen. Er ist kein hitziger Paul Hindemith, kein vollmundiger Arnold Schönberg. Ich schätze seine “ Fünf Stücke für das Violoncello “ weil sie eine neue Suche im 20. Jahrhundert repräsentieren. Die Zwölftonmusik ist quasi vollendet – aber noch nicht beendet. So wirken die häufigen Ganzton Passagen wie unwissend Suchende ohne richtige Orientierung. Aber genau darin liegt für mich der Charme dieser Musik.
Osvaldo Golijov greift mit seiner christlich-arabischen Ostermelodie die Unsicherheit der Verfolgten auf. Aus einer Zeit am Ende des 16 Jahrhunderts in Spanien – drei Kulturen lebten friedlich mit und nebeneinander – da begann diese friedliche Hegemonie in Verfolgung und Ausgrenzung umzuzschlagen. Wir erleben das heute geradezu hautnah.
Also ein einziges suchendes Fragezeichen, ein Hilferuf. So klingt die Musik: fragend, suchend, nicht wissend und doch göttlich in ihrem Trost spendenden Gestus.
Nun komme ich zu den zwei “ Wissenden “ dieses Abends:
Johann Sebastian Bach ist der Wissende. Alles stimmt von vorne bis zum Schluss.
Dazu sagt die Musik von Aaron Minsky: Ich mache mit. Ich suche nicht, ich versuche, weiss aber schon vorher, dass es richtig und gut ist. So wie Gott nach sieben Tagen sein Werk für gut befunden hat.
Und, verehrte Leser: Ich gebe Aaron Minsky recht. Nein, nicht ich bin das, sondern mein Publikum kommt auf mich zu und teilt mir mit: Ich habe alles gehört, was im Minsky in den Titeln seiner zehn Etüden versprochen hat. Broadway , Trucking through the South, Train Song , das sind einige Titel, deren Musik jeder schon im Ohr zu haben meint.
Lieber Aaron Minsky: Kompliment, du hast nicht zuviel versprochen.

Cello Musik aus fünf Jahrhunderten umrahmt die Lyrik der “ Cantadora “ Renate Weilmann am 13. Juli um 20 Uhr in der Bergkirche Schlierbach. Von Pietro Degli Antonii bis Aaron Minsky.

Cantare lautete vor vielen Jahren der Titel eines italienischen Schlagers. Also auf Deutsch: singen.
Ein Cantadore ist demnach ein Sänger, beziehungsweise eine Cantadora eine Sängerin

Die Lyrikerin und Geschichten Erzählerin Renate Weilmann nennt sich Cantadora.
Weder singt sie ihre Lyrik, noch gibt es Musik dazu. Vielmehr steht diese Bezeichnung „ Cantadora „ für eine uralte Tradition des Geschichtenerzählens, einer besonderen Fabulierkunst die nichts mit Vorlesen oder Rezitieren zu tun hat.
In Süd Frankreich lebt Fabien Bages.
Einen Sammelband über Mythen und Sagen aus Südfrankreich betitelte er mit: die Kunst des Erzählens. Seit vielen Jahren ist er ein gefragtes Ereignis um uralte Geschichten am Leben zu erhalten.
In dieser Tradition sieht sich Renate Weilmann. Nur sind ihre Geschichten nicht uralt, sondern aus ihren reichen Lebens Erfahrungen geschöpft und durch ihre wie Gesang wirkende Vortragsreise geradezu ein musikalisches Ereignis.
So weit meine Assoziationen zu der Lyrik von Renate Weilmann.
Wie zur Bestätigung erreichte mich soeben ihre Selbstdarstellung zum Querklang am Berghang am 13.7.2018 um 20 Uhr in der Evangelischen Bergkirche

CANTANDORA, die Geschichtenerzählerin
Gedichte
 
Vom Leben zu erzählen ist die Aufgabe einer Cantandora. Sie reiht sich ein in die Tradition der weltweit verbreiteten Märchenerzähler, der Barden, Troubadoure, der Wanderer, der heiligen Bettler und der heimatlosen Clochards, die uraltes Wissen überliefern und Sorge für dessen Erhalt tragen.
Eine Cantandora serviert ein gehaltvolles Mahl.
Sie vermischt sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Zutaten, reichert sie mit der Gewürzpalette ihrer eigenen Vorstellungskraft an und serviert das Ergebnis ihren gespannt lauschenden Zuhörern teelöffelweise oder mit der Suppenkelle, als Nahrung für die Seele oder gar als Medizin.
 
oder- zu mir:
Man sollte meinen, als Autorin benutze ich die Sprache. Doch es ist genau das Gegenteil. Die Sprache benutzt mich.
 www.renateweilmann.de

Musik aus fünf Jahrhunderten für Cello Solo spielt Michael Schneider, beginnend mit Pietro Degli Antonii, über Johann Sebastian Bach, Hanning Schröder, Osvaldo Golijov bis hin zu Aaron Minsky und seinen Solo Stücken für Cello Solo, bekannt als “ 10 Amerikanische Etüden „.


 

Michael Schneider, der Musik- und Redeprofi in der Realschule Waibstadt zitiert Hans Dieter Hüsch am 18.1.2016

Im Rahmen der Veranstaltung : Profis zu Besuch liess Michael Schneider es sich nicht nehmen, neben der Musik der Cellosuiten von Johann Seabstian Bach,ein Ricercar von Giovanni Battista Degli Antonii sowie Musik für Cello Solo von Hanning Schröder, auch eine weitere Lieblingsbeschäftigung zu präsentieren: Die passende Lyrik und Texte zu seinen jeweiligen Themen hat er immer dabei.
Hier gebe ich einen Lied Text von Hans Dieter Hüsch wieder, der mich schon seit vielen Jahren begleitet.

Das Lied vom runden Tisch

Den möcht‘ ich seh’n
Der mir untersagt
Mich mit einem Liberalen
An einen runden Tisch zu setzen!
Den möcht‘ ich seh’n –
Wie er festen Schritt’s auf mich zukommt
Die Hände in den Taschen
Und dann von oben runter fließend zu mir sagt:
„Mit wem sitzt denn du da?
Feines Gesocks, was?
Na ja, du warst ja schon immer was Besseres!
Das Bier würd‘ mir nicht schmecken!
So täuscht man sich halt –
Wechselst mal wieder das Hemd
Wie mir scheint!“

Darauf gibt’s nur eine Antwort:
„Quatschkopf! –
Dieser Liberale hier
Ist mein Freund!“

Den möcht‘ ich sehen
Der mir untersagt
Mich mit einem Christen
An einen runden Tisch zu setzen!
Den möcht‘ ich sehen –
Wie er feinnervig mich beäugt
Sich bei mir einhakt, ein paar Schritte mich entführt
Und dann in seiner hochgestochnen Suppe rührt:
„Du mit dem?
Das halt‘ ich für absurd!
Dessen Bier schmeckt doch nach Weihwasser –
Und nichts ist bewiesen!
Die Kirche ist doch ein alter Hut –
Was für alte Leute, wo man betet und greint!“

Darauf gibt’s nur eine Antwort:
„Deine Ansicht! –
Aber dieser Christ hier
Ist mein Freund!“

Gott, wieviel Jahre wünsch‘ ich mir schon
Einen alten großen runden Tisch
An dem die verschiedensten Menschen sitzen
Und einer davon wär‘ der Hüsch!

Den möcht‘ ich sehen
Der mir untersagt
Mich mit einem Erzdemokraten
An einen runden Tisch zu setzen!
Den möcht‘ ich sehen –
Wie er zunächst überlegt
Dann aber doch mich anspricht
Zunächst um den heißen Brei geht
Dann aber doch zu verstehn gibt –
Ungeheuer enttäuscht zu verstehn gibt:
„Na ja, Sie hatten ja schon immer ’ne Vorliebe für gewisse Extreme!
Wir dachten uns nur
Wo Sie jetzt älter geworden, hätte sich das gelegt!
Erstaunlich, erstaunlich –
Gerade von Ihnen hätten wir das gemeint!

Darauf gibt’s nur eine Antwort:
„Sie mögen Recht haben! –
Aber dieser Erzdemokrat hier
Ist mein Freund!“

Den möcht‘ ich sehen
Der mir untersagt
Mich mit einem Kommunisten
An einen runden Tisch zu setzen!
Den möcht‘ ich sehen –
Wie er auf mich zufedert
Mir die rechte Hand auf die linke Schulter legt
Sich dann langsam herabbeugt und zu mir sagt:
„Muss das sein?
Ich meine, Sie können doch auch Ihr Bier woanders trinken –
Haben Sie doch gar nicht nötig!
Und außerdem wird sich das sicher rumsprechen!
Nicht dass ich stören wollte –
Ich hab’s nur gut gemeint!“

Darauf gibt’s nur eine Antwort:
Vielen herzlichen Dank! –
Aber dieser Kommunist hier
Ist mein Freund!“

Gott, wieviel Jahre träume ich schon
Den gleichen Traum vom gleichen Stoff
Von Bruder und Schwester, Vater und Sohn
Und einer davon heißt Schretzmeier
Und ein anderer Oberhoff
Und alle reden und trinken, essen und denken
Nach Herzenslust und Gelüsten –
Mit Ausnahme der Faschisten!

Den möcht‘ ich sehen
Der mir untersagt
Dieses Lied öffentlich vorzutragen –
Den möcht‘ ich sehen!

Deshalb sing‘ ich dieses Lied
Und wollte das hier mal sagen!

Hanning Schröder – Divertimento für Viola und Violoncello. Michael Schneider vom Philharmonischen Orchester Heidelberg setzt seine Spurensuche fort.

Dieses Duett wurde 1964 in Monaco ausgezeichnet. Nähere Angaben finden sich bei Wikipedia darüber nicht. Sein Streichquartett über das Lied der Moorsoldaten aus dem KZ Börgermoor ( 1957 ) wurde weltberühmt.
Mit diesen Angaben von Wikipedia fühle ich mich insofern sehr wohl, als ich ein vehementer Verfechter seiner “ Fünf Stücke für Violoncello Solo “ bin.
Und wenn ich dann noch bei Wikipedia lese, dass Yad Vashem 1978 Hanning Schröder als “ Gerechter unter den Völkern “ anerkannte, dann fühle ich mich mit seiner Musik in sehr guter Gesellschaft. Seit vielen Jahren führe ich seine “ Fünf Stücke für Violoncello Solo “ immer wieder auf und nie verfehlen sie ihre Wirkung auf das Publikum. Fachleuten, also Cellisten fehlt vermutlich der Schwierigkeitsgrad, aber ich beurteile und spiele Stücke nach ihrem “ Erzählwert „, so wie Sheherazade mit ihren Geschichten aus 1001 Nacht. ( http://de.wikipedia.org/wiki/Scheherazade ).
Divertimento für Viola und Violoncello habe ich mir besorgt, aber noch nicht gespielt.
Bemerkenswert ist jedoch der Aufbau dieses Duos:
Präludium – Violoncello Solo.
I. Duo : mäßig bewegte Halbe.
Interludium I – Viola Solo.
II. Leicht bewegte Achtel.
Interludium II – Violoncello Solo.
III. Duo: Ruhige fließende Viertel
Interludium III – Viola Solo.
IV. Leicht bewegte Achtel.
Interludium IV -Violoncello Solo.
V. Bewegte Viertel.
Postludium – Duo : In ruhiger Bewegung.

http://de.wikipedia.org/wiki/Hanning_Schr%C3%B6der#Werke

Fünf in die Jahre gekommene Kompositionen – immer noch gut und auf hohem Niveau anspruchsvoll. Michael Schneider, Solokontrabassist und “ Privater Solo-Cellist “ empfiehlt Werke von Hanning Schröder, Hans Werner Henze, Teppo Hauta Aho und Karlheinz Stockhausen

1968, mitten in den Studentenunruhen in Deutschland, spielte ich schon einmal Cello und fand die Noten von Hanning Schröder als Photokopie und so sind sie mir irgendwie erhalten geblieben. Das einzige Manko dieser Fünf Stücke für Violoncello Solo ist aus meiner Sicht, dass Hanning Schröder nicht sechs Suiten à fünf Sätze komponiert hat ( 1957 ).
Der Schwierigkeitsgrad ist nicht besonders hoch. Im Duktus moderater Neuer Musik geschrieben, für mich im Stil des modernen Neoklassizismus gehalten, kann ein versierter Cello Schüler sie durchaus spielen.
So musste ich schon nach einer Aufführung dieser fünf Stücke erleben, dass eine bekannte Cellistin mir unterstellte, dass ich diese Stücke unter dem Pseudonym „Hanning Schröder “ spielen würde, weil sie nicht den Schwierigkeitsgrad 5 haben.
Aber mancher Sinn erschließt sich auch durch die Zutaten eines Meisters: Klangfarbe, Timbre, Interpretation.
Berühmt geworden ist sein Streichquartett über das Lied der Moor Soldaten.
Weiterhin spiele ich heute noch zwei Stücke von Hans-Werner Henze.
Seine Serenade für Kontrabass Solo in einer vom Komponisten autorisierten Bearbeitung .
Neun sehr unterschiedliche kurze Episoden, die auch auf dem Kontrabass immer noch frisch und frech wirken, sowie S. Biagio 9 agosto ore 12.07 für Kontrabass Solo.

Zwei Stücke von Teppo Hauta Aho: Cadenza und Pieni Bassofantasia sind auch in meinem Repertoire geblieben.
Ich weiss dass der Komponist Cadenza nicht mehr hören kann und will.
Aber ich bleibe dabei: Cadenza ist das anspruchvollste und seriöseste Stück von ihm.
Und zu guter letzt eine weitere Empfehlung von mir: die Tierkreiszeichen von Karlheinz Stockhausen.
Ich habe sie in den tiefen Lagen gespielt und auch in der Daumen Lage und teilweise auch gemischt – ebenso in gleicher Manier auf dem Cello.
In Konzerten kündige ich die zwölf Melodien der  Tierkreiszeichen gerne an als das schönste was nach Johann Sebastian Bach geschrieben wurde.
Über Geschmack lässt sich streiten, denn manchmal sieht ein Publikum das ganz anders. Unbestritten ist aber immer wieder die Seriosität dieser der von mir empfohlenen Stücke in ihrer Wirkung auf das Publikum und die Adaption dieser Musik für den Kontrabass.

In meiner Heidelberger “ Konzertphase “ habe ich alle „Probespiel Konzerte “ mit unserem Orchester aufgeführt, sowie zum 100 jährigen Bestehen des Philharmonischen Orchesters Heidelberg eine Uraufführung von Kurt Schwertsik. Alle Konzerte blieben Exoten und werden es wohl auch bleiben. Ganz anders ergeht es mir mit meinen obigen Empfehlungen. Nie taucht hier die Frage auf, warum jemand auf dem Kontrabass versucht wie ein Cello oder eine Geige zu sein, zu spielen. Intuitiv spürt das Publikum, dass dies Musik vom Kontrabass für dieses Instrument ist, bzw. wie bei den Tierkreiszeichen, ist die Komposition über alle Zweifel erhaben, dass sie sogar auf dem Bass ihre Anerkennung nicht verfehlt. Cadenza von Teppo Hauta Aho wird immer vom Publikum gewürdigt. Mit anderen Worten, es  spürt, dass es um Musik geht und eben nicht den Versuch, mehr zu sein als das Instrument hergibt.