Michael Schneider schickt an dieser Stelle eine Bemerkung voraus: Ich beteilige mich als ehrenamtlicher Helfer an der deutschen Willkommenskultur für die ärmsten Menschen auf dieser Welt. Davor bemühte ich mich um Heidelberger Randjugendliche, Schüler der Waldparkschule in Heidelberg Boxberg. Aber weder die Schulleitung noch der GMD Cornelius Meister oder der Intendant wollten etwas davon wissen. Auf sich allein gestellt ist ein angestellter Musiker bei der Stadt Heidelberg machtlos. Das Angebot für gratis Musikunterricht könnte in Konkurrenz zur Musikschule stehen. Und: Ideen von Mitarbeitern sind an Theatern grundsätzlich unerwünscht.
Ergo: Primo Heidelberg. Secondo Die UMA’s.
Das Deutsche Rote Kreuz Rhein Neckar unterhält das „ fliegende Klassenzimmer „ im Patrick Henry Village. Täglicher Unterricht in Deutsch, Mathe, Kultur und von Michael Schneider ein kleiner musikalischer Beitrag.
Es ist der 29. März 2017. Annette und Claudia beginnen mit dem Morgenkreis: ein Ball wird in die Runde geworfen, verbunden mit Fragen auf Deutsch.
UMA : Unbegleitete minderjährige Asylanten.
Sie stehen unter dem Schutz der deutschen Bundesregierung. Bis sie das 18. Lebensjahr erreicht haben. Dann erst wird über ihre Daseinsberechtigung in Germany entschieden. Frage: gibt es auf dieser Welt eine bessere Einstellung?
Der Unterricht im fliegenden Klassenzimmer ist nicht für Erwachsene Männer. Also: ab 18: ein Mann.
Aber : ein Mann wollte mitmachen durfte aber nicht.
Abdul Rahman, ein Junge aus Syrien ( mehr als fünf Millionen Syrer sind auf der Flucht ) regte das sehr auf, er selbst ein UMA, sechzehn Jahre jung. Die Runde war blockiert.
Michael Schneider schnappt sich eine Hand von Abdul Rahman und zieht ihn vor die Tür. Zum Reden.
Dann: Kaffee in der Stadt in der Frühlingssonne. Abdul Rahman will reden.
Er braucht noch seinen Ausweis, sonst kommt er nicht mehr ins das PHV. Ein Sozialarbeiter kommt mit ihm aus dem Wohnhaus: Wer bist du? Was willst du…….?
Ich möchte ihm helfen, zuhören.
Wir landen in einem arabischen Kaffee. Abdul Rahman hat seine Zigaretten vergessen. Und ich genügend Geld. Also frage ich eine Bedienung, eine arabische Frau nach Zigaretten. Abdul bekommt gleich zwei gedrehte Zigaretten ( der staunt ). Als ich zahle fragt eine der arabischen Frauen: Hat der junge Mann genug zu rauchen gehabt ?
Danke ihr Lieben, wir kommen bestimmt wieder zu euch und euren leckeren Kaffee ( O-Ton Abdul Rahman ).
Das war also eine schöne Sonnensitzung.
Äusserlich. Innen drin weiss Abdul Rahman nicht so recht, wie es das Leben mit ihm meint. Oder: wie er es mit diesem Leben meinen soll.
Er erzählt:
Wir waren in unserem Haus, meine Familie, und ich. Wir reden. Irgendwann will ich duschen gehen.
Noch ist alles gut.
Gleich aber nicht mehr:
Eine Bombe fällt auf das Haus. Abdul fliegt durch die Luft.
Nase auf einer Seite ziemlich defekt. Heute noch. Splitter in der Schulter, Bein und Knie. Im Knie heute noch. Das rechte Auge: es ist noch drin, lebt aber nicht mehr. Kann ein Auge leben? Nein, es kann sehen, solange es drin ist und keinen Kontakt mit Bomben hat.
Seine Eltern, seine Familie?
Ich gebe es wieder wie ich es gehört habe: ein Kopf ist ab, Beine, Füsse: weg.
Abdul denkt zwei Monate im Krankenhaus, dass es seiner Familie so geht wie ihm: schlecht, aber lebend. Dann erfährt er: Er ist allein.
Doch nein, er ist gar nicht so allein. Da ist ein Onkel in Deutschland. Da will er hin. Aber der Onkel will nichts von ihm wissen.
Jetzt ist Abdul wirklich allein.
Nein ist er nicht, die Deutsche Bundesregierung und das Jugendamt beschützen ihn.
Wirklich? Können sie seine Seele beschützen ?