Das Lagen-Kuddelmuddel auf dem Kontrabass und die gemässigte Sinnlosigkeit der Lageneinteilung auf dem Cello.

Allgemein gilt: viele Lagen, wenig Sinn mit fehlendem Durchblick. Zumindest bei Michael Schneider.

Francois Rabbath hatte die geniale Erleuchtung.

Wir erinnern uns an den Physikunterricht. Die Oktave und die Quinte über der Oktave. Die Oktave ist die Halbierung der Saite. Das bedeutet: die Hälfte der Saite hat einen Knotenpunkt, die Stelle, an der die Saite nicht schwingt, weil die Saite in zwei Wellen rechts und links von diesem Knotenpunkt schwingt.

Wird die Saite gedrittelt, so schwingt sie um diese beiden Knotenpunkte in drei Bäuchen.. Beim Kontrabass sind das die Töne: Oktave G und die Quinte über der Oktave: D. Beim Cello ist es die Oktave A und die Quinte darüber: E. Als Flageolett klingt der gedrittelte Knotenpunkt rechts und links von der Oktave in gleicher Tonhöhe. Gegriffen erklingt der erste Knotenpunkt der Quinte eine Oktave tiefer und erst oberhalb der Oktave erklingt die Quinte gedrückt wie Flageolett  in gleicher Tonhöhe. Jetzt ist dem Leser alles klar:

Der Kontrabassist liest jetzt:

Die gegriffene Quinte über der G-Saite ist die zweite Lage, wenn der vierte Finger das D greift. Das D mit dem ersten  Finger gegriffen ist die dritte Lage. Der Daumen auf der Oktave ist die vierte Lage. Der Daumen auf der nächsten Quinte ist die fünfte Lage. Und das Flageolett G über der Oktave ist die sechste Lage. Beim Cello betrifft diese Lageneinteilung die A-Saite, die Quinte E, die Oktave A und die Quinte darüber. Mehr als fünf Lagen brauche ich auf dem Cello nicht.

Damit habe ich auf beiden Instrumenten ein klares Bild, eine klare Greifstruktur für ein inneres Bild. Alle bisher üblichen kleinen Denkmuster sind unnötiger Ballast für unklares Zuviel des Guten. ( In diesem Fall: Überflüssigen). Ich habe nie verstanden warum sich die Lageneinteilung bei Simandl an der Bb Dur Tonleiter orientiert. Diese Töne, also: a,b, c, d,es,f und g sind die „ganzen“ Lagen, alle anderen Töne die „halben“.

Michael Schneider betrachtet Gustav Mahler’s Kontrabass Solo in der ersten Symphonie

Wir sind alle Kinder unserer Zeit, aber manchmal fallen wir auch heraus. Wann geschieht das ?  Kontrabass Studium. Dann kommt Anton Bruckner dran. In seinen Symphonien gibt es Passagen die sich in die Höhe schrauben, über die Oktave der leeren Saiten hinaus. Ich übe ( es war um 1978 ) und dann kommt der Moment wo es so nicht mehr weiter gehen kann. Mein Lehrer Willi Beyer zeigt mir wie es geht: der Daumen kommt zum Einsatz : die Stelle geht wie geschmiert. Dann geht die Musik wieder abwärts. Dann kommt der Moment, wo man wieder normal nach Simandl spielt: ohne Daumen. Das habe ich nie verstanden, es ginge noch lange abwärts mit dem Daumen, ohne Gespringe.

Aber es geht doch um Gustav Mahler ? Fragt der Leser. Bruder Jakob in Moll. Darum geht es. Aber auf einer Saite bitte. Im Studium habe ich schon vorab darunter gelitten. Mir wurde erzählt, wie der und ein anderer daran gescheitert sind, abgestürzt. Oder einfach, wie unsauber manche Aufnahmen klingen. Diese Impfung sitzt. Acht Takte Pauke. Nur die Pauke und du weisst: alle warten auf dich. Nicht auf die Musik. Die wird sowieso nichts. Aber ob du das schaffst. Ein Gang zum Schaffot. Selbstmord sozusagen. Und auch noch freiwillig. Ganz so sehen es manche Seelen von Solobassisten dann doch nicht. Schon manche ihrer Körper wollten sich das nicht antun und wurden krank. Mit Thomas Zoller habe ich das Koussevitzky Kontrabasskonzert einmal konsequent aus der Sicht der Nouvelle Technique de la Contrebasse durchgefingert. und es hat funktioniert. Aber so spielt „man“ eben nicht Kontrabass. Mit Meike Krautscheid habe ich das Dittersdorf Konzert ebenso bearbeitet. Ganz ohne leere Saiten wird es dann über vier Saiten gespielt und bedarf quasi einer perfekten Bogentechnik. Wer es kennen lernen möchte sei an dieser Stelle eingeladen bei mir nachzufragen.

Und lange vor meiner Zeit bei Francois Rabbath sehe ich meinen  Mentor im Fernsehen. Was macht er da ? Der spielt das Solo einfach in der Daumenlage. Und das klingt auch noch viel besser als alles vorher Gehörte. ( Bottessini spiele ich ehrlich gesagt auch nicht auf einer Saite ). Diesen Fernsehauftritt habe ich mir gemerkt. Viel besserer Klang bei viel weniger Arbeit und noch weniger Stress.

Nun bin ich Heidelberger Solokontrabassist und muss, nein, Verzeihung: ich darf das ab und zu spielen. Eine Freude, weil ich es nie übe.  Im Publikum in der Heidelberger Stadthalle wurde meine Frau immer wieder angesprochen: das hat ihr Mann doch schon wochenlang vorher geübt. Nein, falsch: das übe ich nie. Da lacht sich doch jeder Geiger schlapp, Bruder Jakob in Moll. Und deswegen wird man krank ?

Es gibt einen Autograph vom Schumann Cello Konzert: alles über die Saiten. Ob es heute besser klingt mit einem falschen Ehrgeiz ?

 

Bass Spielen – ein unendlicher Spass für Michael Schneider

Ich wurde immer wieder wegen meiner Bemerkungen  in meiner “ Vita “ bezüglich der Geschwindigkeit gefragt, warum ich schnell spielen will. Das Geheimnis liegt nicht im Tempo, sondern in der Raum-Zeit-Bewegung. Wenn ich meine Wege auf dem Instrument verkürze, dann wird der Raum den ich durchschreiten muss kleiner, kürzer und auch die Bewegungen werden reduziert auf Fingerbewegungen. Nutze ich das nicht aus, dann habe ich auch immer große Armbewegungen und viele Lagenwechsel. Das bedeutet, viele Probleme und Arbeit um die Musik herum. Das Ziel der Rabbath-Technik ist für mich die “ kunstlose Kunst „. Die Musik kann ich aber nur fliessen lassen, wenn ich Zeit für die Musik habe, andernfalls bin ich mit anderen Problemen beschäftigt und habe keine Zeit für die Musik.

Noch einmal zum Thema Geschwindigkeit: Eine Geigen Kollegin sprach mich während einer Mozartoper an und teilte mir die Bewunderung ihrer Eltern mit, die im oberen Rang gegenüber von uns sassen. Sie staunten darüber, wie schnell ich spielen kann. ( Meine spontane Antwort: ja schneller als die Geigen ) Das ist ja nicht der Sinn des Zusammenspiels, dass irgendeiner früher fertig ist und dann wie in einem Comic von Sempé der Geiger früher nach Hause geht, weil er heute mal wieder schneller als die anderen gegeigt hat.  Es kann sich also nur um einen optischen Eindruck handeln. Diesen optischen Eindruck vermittelt Francois Rabbath’s Technik  in den Videoaufnahmen von den Paganini Variationen von Frank Proto. ( Nine Variants on  Paganini for  Double Bass and Piano, Liben Music Publishers ) Während der schnellsten Passagen scheinen die Bewegungen kleiner und ruhiger zu werden. Die Überwindung grosser Entfernungen auf dem Kontrabass, verbunden mit vielen Lagenwechseln kann optisch wie musikalisch nicht die Ruhe ausstrahlen, die ein anderes Spiel-Denken mit sich bringt.

Wie sieht das im Alltag, im Orchester aus ? Z.B. Beethovens Pastorale: da zieht ein Gewitter auf und es gibt jede Menge zu tun. Versuche ich die Sechzehntel Läufe auszuspielen, dann kann ich eigentlich gleich die sog. Mannheimer Schule verwenden: alles mit einem Finger rauf und runter. Mache ich es mit Rabbath, dann lege ich den Daumen auf den ersten Ton der jeweiligen Sechzehntel und spiele die Gruppe mit den übrigen Fingern aus. Kommt dann die nächste Gruppe, so schiebe ich den Daumen auf den Grundton und spiele genau so weiter. Bewegen muss ich mich dafür also nicht und es sieht  leicht aus, ist schneller, weil jeder Finger immer schon da ist und ich mich nicht erst dort hinbewegen muss.  Dabei spiele ich natürlich auf den tieferen Saiten in höheren Lagen, so dass für den Laien schon mal der Eindruck entstehen kann, dass ich eine ganz andere Stimme spiele, weil ich mich fast gar nicht bewege aber zumindest die Ruhe selbst bin.

Warum neue Ideen so neugier-resistent sind, das steht alles in dem Buch von Gerald Hüter in der „Gebrauchsanweisung für das menschliche Gehirn“