Wir sind alle Kinder unserer Zeit, aber manchmal fallen wir auch heraus. Wann geschieht das ? Kontrabass Studium. Dann kommt Anton Bruckner dran. In seinen Symphonien gibt es Passagen die sich in die Höhe schrauben, über die Oktave der leeren Saiten hinaus. Ich übe ( es war um 1978 ) und dann kommt der Moment wo es so nicht mehr weiter gehen kann. Mein Lehrer Willi Beyer zeigt mir wie es geht: der Daumen kommt zum Einsatz : die Stelle geht wie geschmiert. Dann geht die Musik wieder abwärts. Dann kommt der Moment, wo man wieder normal nach Simandl spielt: ohne Daumen. Das habe ich nie verstanden, es ginge noch lange abwärts mit dem Daumen, ohne Gespringe.
Aber es geht doch um Gustav Mahler ? Fragt der Leser. Bruder Jakob in Moll. Darum geht es. Aber auf einer Saite bitte. Im Studium habe ich schon vorab darunter gelitten. Mir wurde erzählt, wie der und ein anderer daran gescheitert sind, abgestürzt. Oder einfach, wie unsauber manche Aufnahmen klingen. Diese Impfung sitzt. Acht Takte Pauke. Nur die Pauke und du weisst: alle warten auf dich. Nicht auf die Musik. Die wird sowieso nichts. Aber ob du das schaffst. Ein Gang zum Schaffot. Selbstmord sozusagen. Und auch noch freiwillig. Ganz so sehen es manche Seelen von Solobassisten dann doch nicht. Schon manche ihrer Körper wollten sich das nicht antun und wurden krank. Mit Thomas Zoller habe ich das Koussevitzky Kontrabasskonzert einmal konsequent aus der Sicht der Nouvelle Technique de la Contrebasse durchgefingert. und es hat funktioniert. Aber so spielt „man“ eben nicht Kontrabass. Mit Meike Krautscheid habe ich das Dittersdorf Konzert ebenso bearbeitet. Ganz ohne leere Saiten wird es dann über vier Saiten gespielt und bedarf quasi einer perfekten Bogentechnik. Wer es kennen lernen möchte sei an dieser Stelle eingeladen bei mir nachzufragen.
Und lange vor meiner Zeit bei Francois Rabbath sehe ich meinen Mentor im Fernsehen. Was macht er da ? Der spielt das Solo einfach in der Daumenlage. Und das klingt auch noch viel besser als alles vorher Gehörte. ( Bottessini spiele ich ehrlich gesagt auch nicht auf einer Saite ). Diesen Fernsehauftritt habe ich mir gemerkt. Viel besserer Klang bei viel weniger Arbeit und noch weniger Stress.
Nun bin ich Heidelberger Solokontrabassist und muss, nein, Verzeihung: ich darf das ab und zu spielen. Eine Freude, weil ich es nie übe. Im Publikum in der Heidelberger Stadthalle wurde meine Frau immer wieder angesprochen: das hat ihr Mann doch schon wochenlang vorher geübt. Nein, falsch: das übe ich nie. Da lacht sich doch jeder Geiger schlapp, Bruder Jakob in Moll. Und deswegen wird man krank ?
Es gibt einen Autograph vom Schumann Cello Konzert: alles über die Saiten. Ob es heute besser klingt mit einem falschen Ehrgeiz ?