Stell einem Höhlenmenschen einen Ferrari vor die Höhle – er wird ihn nicht sehen, weil es ihn nicht geben darf. Erzählen Sie mir, dass Sie ab morgen im Urlaub sind. Sie fahren aber gar nicht weg und wir gehen in der Heidelberger Hauptstrasse aneinander vorbei. Sie können sich darauf verlassen, ich sehe Sie nicht weil Sie gar nicht in Heidelberg sein können.
In meiner frühen Jugend war jede Begegnung mit anderen Musikern eine gratis Unterrichtsstunde. Zeig mal, wie machst du das, warum kann ich das nicht, warum bin ich nicht selbst darauf gekommen. Meine Freunde mussten mir ihr Können auf Band spielen und ich habe es nachgeübt bis ich es auch konnte. Noten gab es dafür nicht. So habe ich es auch bei Francois Rabbath gehalten : solange nachgespielt, bis der ( heilige ) Geist seiner Musik in mich gefahren ist und ich dann meine eigenen Wege gehen konnte. Das habe ich schon in jungen Jahren von meinem Freund und Maler Hans Herbert Vollhardt gelernt. Er musste in seinem Kunststudium solange die Klassiker der Malerei kopieren, bis er so malen konnte wie sie. Nicht um Kunstfälscher zu werden, sondern um das Handwerk zu lernen. Learning bei doing also.
So erhalte ich immer wieder Komplimente von aussen über meine Art, die Saitenlage und die Hohlkehle einzurichten. Würde so etwas mir begegnen – ich würde mich sofort an meine Jugend erinnern: wie machst du das, warum habe ich das nicht.
Das liegt vermutlich nicht nur an Gerald Hüter und dem menschlichen Gehirn, sondern auch an Lehrern die ihren Schülern klipp und klar vermitteln, dass man das so macht und nicht anders. Jeder Schüler vertraut seinem Lehrer, sonst wäre er nicht bei ihm. Steht dann aber ein Ferrari vor der Höhle dann hat das menschliche Gehirn die Qual der Wahl : Bleibe ich meinem Lehrer treu und ignoriere den Ferrari – oder nehme ich den Ferrari wahr und stelle damit meinen Lehrer in Frage ?
Da haben wir das Dilemma des menschlichen Gehirns. Und das ist keine Frage der moralischen Bewertung sondern eine Tatsache die jeder in dem Buch von Gerald Hüter nachlesen kann: “ Gebrauchsanweisung für das menschliche Gehirn“