Alfred Herriegel und die Kunst des Bogenschießens in der Nouvelle Technique de la Contrebasse

12.04 004Alfred Herriegel – Zen in der Kunst des Bogenschießens.

( O.W. Barth Verlag, ISBN 978-426-29121-4 ) Alfred Herriegel folgte als Philosophie Professor in Heidelberg  1924 dem Ruf an die Sendai Universität in Japan. Dort begegnete er dem Zen Buddhismus und begann darüber nachzudenken, wie sich das westliche mit dem östlichen Denken verbinden lässt. Darüber und über seinen persönlichen Weg zum Zen Meister schreibt er in seinem Buch.

Ein gleiches Erlebnis hatte ich 1991 bei meinem ersten Besuch bei meinem zweiten großen Lehrer Francois Rabbath. Er spielte mir etwas vor und ich wusste : das will ich lernen. Ich habe nicht daran geglaubt, dass dies möglich ist.  Mein großer Förderer und Mentor Willi Beier, seinerzeit Solokontrabassist beim NDR Sinfonieorchester sagte mir immer wieder : Rabbath, das ist eine Granate, aber nichts für uns.  Ich blieb stur, so wie Alfred Herriegel es auch war und das führte uns beide zum Ziel.In Herriegel ’s Buch ist von “ kunstloser Kunst “ die Rede.  Auf Deutsch: das Ziel, der Beste zu sein, besser als die anderen ist nicht das Ziel.  Durch Herriegel und Rabbath bin ich der beste in meinem Lebensgefühl. Rabbath :“ tu auras l‘ habitude d‘ un virtuoso „. Dafür brauche ich keine Bescheinigung, weder auf dem Papier, noch durch andere.

Ich bin fasziniert davon, dass ein Philosophie Professor und ein Kontrabassist, der  nur für einen Monat eine Hochschule von innen gesehen hat, zu dem gleichen Ergebnis kommen, der “ kunstlosen Kunst „. Der Zen Meister erklärt das in dem Buch so :“  All die vielen Übungen sind nur dazu da , dich frei zu machen, damit die göttliche Energie in dir wirken kann.“  Das ist auch schon ein religöses Thema: Wenn ich das  Ergebnis als Energie betrachte, dann ist es unwichtig ob ich sie Buddha nenne, Jehova,  oder Gott……………. Das Buch ist nur 100 kleine Seiten dick. Immer noch die “ Bibel “ für die, die etwas mehr wissen wollen. In diesem Zusammenhang hat es auch viel bis alles mit Musik zu tun.

Die Folgen meiner Neugier bekomme ich immer wieder zu spüren, oft aus einer völlig unerwarteten Richtung. Heute nach einem Konzert in Rüsselsheim spricht mich eine Frau aus dem Publikum an und teilt mir mit, dass das Spielen bei mir so leicht aussieht, ob ich eine andere Stimme spielen würde. Ganz schnell habe ich ihr erklärt, dass es viele Wege zum Erfolg gibt. Den einen sieht man, den anderen nicht.  Die Frau war zufrieden. Aber ich erinnnerte mich an Francois Rabbath und Boussagol : So muss es ihm auch ergangen sein.. Wem ? Na: einem von beiden.

Raum-Zeit-Bewegung – das Problem des Kontrabasses

Wenn ich wenig Zeit habe, dann habe ich es eilig. Bin gehetzt, ohne Ruhe und muss mich darauf konzentrieren, mein Pensum zu schaffen. So habe ich es viele Jahre lang auf dem Kontrabass erlebt und genauso auf dem Cello. Meine Bewunderung gilt den vielen Cellisten und Bassisten, die durch viel üben irgendwann an den Punkt kommen, dass sie aufwendig ihr Ziel erreichen. Francois Rabbath hatte die geniale Idee über dieses Raum-Zeit und Bewegung-Problem nachzudenken und hat schließlich eine Lösung gefunden. Auf dem Bass, wie auf dem Cello ( in der Dimension fast halbiert gegenüber dem Kontrabass ) haben wir einen großen Raum, große Bewegungen, oft aber wenig Zeit.

Wie soll, wie kann die rechte Bogenhand sich ruhig bewegen, wenn die linke Hand es eilig hat und immer zu wenig Zeit hat und sich hektisch dem Zeitdruck unterwerfen muss ?  Wie schaffen es Gitarristen wie Django Reinhardt oder Bireli Lagrene so wunderschön ihr Instrument zu beherrschen, da sie doch im herkömmlichen Sinn ihr Instrument nie gelernt haben ?

Rabbath hat für den Bass und das Cello die Antwort gefunden:

Wenn ich  in einer Lage quer über die Saiten wunderschöne Melodien hervorbringen kann, dann muss ich das nur in den entsprechenden anderen Tonarten, Tonlagen genauso machen.  Damit gewinnt der Spieler Zeit, denn wenn die Melodie nicht mehr auf einer Seite rauf und runter gespielt/ gehetzt werden muss, dann gewinnt er Zeit, der Raum wird klein, die Bewegung beschränkt auf die Veränderung im Fingersatz bezüglich der Halb- und Ganztonschritte.

So entsteht ein neues musikalisches Lebensgefühl: “ Tu auras l’habitude d’un virtuoso “ habe ich von Francois Rabbath gelernt. Frei übersetze ich das mit: Du wirst das Lebensgefühl eines Virtuosen haben. Dafür muss ich keine Wettbewerbe mehr gewinnen und benötige dafür keine Bescheinigungen.

Darüber hinaus erspart das Pivot viele unnötige und aufwendige Lagenwechsel. Das Pivot bezeichnet die Öffnung der linken Hand, der Daumen bleibt hinter dem Hals und die Hand wird durch Öffnung zu dem gewünschten Ton gebracht. So komme ich auf meinem Bass mit einer Mensur von 113 cm in der ersten Lage bequem vom As ( auf der G-Saite ) bis zum Cis.Ohne Lagenwechsel. Auf dem Cello komme ich auf der A-Saite ohne Lagenwechsel bequem bis zum G ( einen Ton unter der Oktave ).

Wenn ich auf der Gitarre ein Stück kann und es mit Hilfe eines Kapotasters in eine andere Tonart / Tonhöhe verschiebe, dann bleiben die Fingersätze und Tonabstände gleich. Das Lagenspiel mit dem Daumen quer über die Saiten macht aus dem Daumen also nur einen beweglichen Kapotaster.

Verletzungsgefahr des Solobassisten mit Rabbath Technik – die Bogengeschwindigkeit

Meine „Geigentochter“ Meike hatte an der Musikhochschule Unterricht über die Bogeneinteilung. Bei meinem genialen Lehrer Francois Rabbath hatte ich dazu eine einzige Übung: die richtige Bogengeschwindigkeit. Theoretisch benutze ich für jeden Notenwert den ganzen Bogen ( musikalisch macht das natürlich nicht immer einen Sinn). Das bedeutet, dass ich aus dem Handgelenk die Bogengeschwindigkeit vorwegnehme, dann gehe ich nur noch an die Saite und habe das richtige Timing vorweggenommen. Spiele ich dann noch mit dem richtigen Armgewicht, dann muss ich den Bogen nicht auf die Saite drücken. Da meine Genssler „Rabbath“ Saiten auf Drücken nur mit einem Knarzen reagieren verzichte ich auf das Drücken, reduziere das Armgewicht und ziehe besonders bei Akzenten und kurzen Tönen den Bogen mit grosser Geschwindigkeit durch und komme mit der Bogenhand oft da an, wo der Bogen meines Nachbarn noch in der Luft steht.

Gedankensprünge mit und ohne Konsequenz – was wir von Gerald Hüter lernen können.

Stell einem Höhlenmenschen einen Ferrari vor die Höhle – er wird ihn nicht sehen, weil es ihn nicht geben darf.  Erzählen Sie mir, dass Sie ab morgen im Urlaub sind. Sie fahren aber gar nicht weg und wir gehen in der Heidelberger Hauptstrasse aneinander vorbei. Sie können sich darauf verlassen, ich sehe Sie nicht weil Sie gar nicht in Heidelberg sein können.

In meiner frühen Jugend war jede Begegnung mit anderen Musikern eine gratis Unterrichtsstunde. Zeig mal, wie machst du das, warum kann ich das nicht, warum bin ich nicht selbst darauf gekommen. Meine Freunde mussten mir ihr Können auf Band spielen und ich habe es nachgeübt bis ich es auch konnte. Noten gab es dafür nicht. So habe ich es auch bei Francois Rabbath gehalten : solange nachgespielt, bis der ( heilige ) Geist seiner Musik in mich gefahren ist und ich dann meine eigenen Wege gehen konnte. Das habe ich schon in jungen Jahren von meinem Freund und Maler Hans Herbert Vollhardt gelernt. Er musste in seinem Kunststudium solange die Klassiker der Malerei kopieren, bis er so malen konnte wie sie. Nicht um Kunstfälscher zu werden, sondern um das Handwerk zu lernen. Learning bei doing also.

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So erhalte ich immer wieder Komplimente von aussen über meine Art, die Saitenlage und die Hohlkehle einzurichten. Würde so etwas mir begegnen – ich würde mich sofort an meine Jugend erinnern: wie machst du das, warum habe ich das nicht.

Das liegt vermutlich nicht nur an Gerald Hüter und dem menschlichen Gehirn, sondern auch an Lehrern die ihren Schülern klipp und klar vermitteln, dass man das so macht und nicht anders. Jeder Schüler vertraut seinem Lehrer, sonst wäre er nicht bei ihm.  Steht dann aber ein Ferrari vor der Höhle dann hat das menschliche Gehirn die Qual der Wahl : Bleibe ich meinem Lehrer treu und ignoriere den Ferrari – oder nehme ich den Ferrari wahr und stelle damit meinen Lehrer in Frage ?

Da haben wir das Dilemma des menschlichen Gehirns. Und das ist keine Frage der moralischen Bewertung sondern eine Tatsache die jeder in dem Buch von Gerald Hüter nachlesen kann: “ Gebrauchsanweisung für das menschliche Gehirn“

 

 

 

Walter Pfundstein im “ Querklang am Berghang “ am 22.2.2013 und sein eigenwilliges Gehirn

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Walter Pfundstein – Solobassist bei Tonart Heidelberg

arkestra convolt hat ein Cello und einen Bass. Aber auch Michael Schneider kann sich nicht zweiteilen, so gab es bisher immer nur ein entweder oder. An diesem Abend ging es aber plötzlich doch: Walter Pfundstein trug J.S.Bach mit seinem Fünfsaiter auf satten sonoren Klängen. Obwohl er ehemals als E-Bass Rocker sein musikalisches Unwesen trieb, hat er wohl aus dieser Zeit sich seine musikalische Frechheit bewahrt und mischte mit wie Till Eulenspiegel das Geschehen aufmischte: hier seht mal, ich mach das jetzt einfach so. Wir würden nicht so darüber schreiben, wenn dies nicht zu dem geführt hätte was wir bisher erlebt haben: ein begeistertes Publikum. Wir haben seit diesem Abend ein neues Attribut für diesen Musiker: Walter Pfundstein, ein Pfunds-Bassist. Wir und das Publikum haben ihn erlebt , als wäre er von Anfang an dabei gewesen. Wir haben es immer gewusst: Bach und Pfundstein, das sind Namen, die merken wir uns.

Aber dann kommt sein musikalischer Alltag: Solobassist beim Tonart Orchester Heidelberg. Das ist ein Solobassist, der seine Stimme vom ersten Tag an übt. Aber er macht es sich leicht, er hat ja die Rabbath Technik gelernt. Es geht aber nicht voran, manche Stellen wollen einfach nicht in seine Finger. Das ist dann der Moment wo ich als sein Berater Mozart ins Spiel bringe:

Manche Passagen gehen musikalisch sinnvoll nur auf die neue Art. Andere sind nicht zu verbessern und machen auf die neue Art keinen Sinn. Faszit und Botschaft in alle Welt: Wir sind eine grosse Community und brauchen jeden und grenzen niemand und nichts aus. Sprach Michael Schneider und schickte diesen Blog in den Äther.

Tschaikovsky hat auch schon für die Rabbath – Technik komponiert

Mazeppa, eine in Deutschland nahezu unbekannte Oper Tschaikovskys. Die Proben beginnen. Unleserliche, kleingedruckte und verschmierte Noten liegen auf dem Pult. Ich weigere mich innerlich etwas zu üben, das ich nur wegen der Unleserlichkeit üben müsste.

Aber ich habe bei Rabbath verstanden: Tonarten und Kreuze oder Erniedrigungen (ich rede von Vorzeichen ) spielen keine Rolle mehr, weil ich nur noch in Tonschritten denke. Also: Ganz- oder Halbton Schritt. Meistens lege ich dafür den Daumen auf die Höhe des D auf der G-Saite. Das ist bei Rabbath die dritte Lage. Und schon fühle ich mich zu Hause. Ich lese wie gesagt keine Tonarten mehr, sondern nur noch Tanabstände.

Wenn ich in der gewöhnlichen Lage Bb-Dur spiele und den ersten Finger auf der A-Saite auf das E ( den Daumen dann stumm auf das Eb/Dis), dann spiele ich dieser Position quasi Bb-Dur. Das betrifft die Fingersätze, die Greifschablone. Die Tonhöhe und damit die Tonart sind andere. Kommt dann wie bei diesem Beispiel Chromatik mit ins Spiel, so muss ich meine Lage nicht verlasssen, sonder spiele einfach mit einem Finger entsprechend zwei Töne.

So finde ich immer eine Greifschablone, die es mir einfach und bequem macht. Passt die Bb-Dur Schablone nicht, dann nehme ich das Greifmuster von A-Dur, oder wenn es mehr Sinn macht das von G-Dur. Und schon scheint sehr vieles auch bei Tschaikovsky wie komponiert für die dritte Lage nach Rabbath.

J.S. Bach. Die h-moll Suite auf dem Cello und dem Kontrabass

Joh. Seb. Bach : h-moll Suite ( BWV 1067 )

1. Satz, Allegro: h-moll ist keine schwierige Tonart auf dem Kontrabass. Mein Problem in der h-moll Suite war viele Jahre, dass gleich beim Allegro Thema im Bass ein“ gis“ und ein „ais“ auftauchen. Dadurch muss ich mehrfach für einen Halbton einen Lagenwechsel machen, genau genommen zwei – hin und wieder zurück. Also doch unangenehm. Lege ich nun den Daumen auf die Höhe vom d auf der G-Saite und bleibe in dieser Position ( nach Rabbath also die Dritte Lage ), dann habe ich alle Töne in einer Hand über vier Saiten. Für das “ ais “ setze ich den Daumen einen halben Ton höher, für das “ gis “ und später “ dis “ nehme ich jeweils den dritten Finger. So habe ich die erst Passage (  Takt 34-50 ) in einer Hand, muss für Halbtonveränderungen keinen Lagenwechsel machen und gewinne Zeit für die Musik. Flötisten haben manchmal schnelle Finger und somit auch flotte Tempi. Das stört mich nun aber nicht mehr, das brauche ich auch nicht mehr zu üben. Überhaupt : einmal in den Fingern bleibt es bei mir, auch wenn viele Jahre zwischen dem letzten Konzert liegen.Bevor ich diesen Weg gegangen bin, musste ich dieses Stück immer wieder neu üben, auch die schnellen Tempi.

Auch heute noch wird gelehrt, dass es nach Franz Simandl 13 Lagen bis zur Oktave, gibt , dann kommt die Daumenlage und dann gar nichts mehr. Es ist selbstverständlich, dass die Daumenlage in Kontrabasskonzerten benutzt wird. Bei Orchesterstellen jedoch nur , wenn es nicht anders geht. Ich werde in weiteren Beispielen mir unangenehme Passagen vorstellen, die durch das Lagendenken von Francois Rabbath plötzlich sehr leicht werden mit dem wunderbaren Nebeneffekt, dass sie der Erinnerung nicht mehr verloren gehen.

Auf dem Cello verhält es sich ähnlich. Ist erst einmal eine Sicherheit mit dem Daumenspiel erreicht, so kann jeder Hobbymusiker schon schwierige und schnelle Passsagen bewältigen, für die er andernfalls Jahre üben müsste um die vielen Lagenwechsel beherrschen zu können.